Der Polnische Klub wurde 1948 durch den polnischen Internierten aus Bern und Umgebung gegründet.



Die Schweiz als Asylland für Polen 1940-1946



Zusammen mit den Angehörigen des 45. Französischen Armeekorps sind im Sommer 1940 auch Angehörige
polnischer Einheiten vor den deutschen Truppen in die neutrale Schweiz ausgewichen. Sie wurden hier entwaffnet und blieben bis zum Kriegsende.
Schon währendder polnischen Teilungen im späten 18. Jahrhundert hatten viele Verfolgte in der Schweiz Asyl gefunden. Auch später, als der grösste Teil der polnischen Nation unter russische Herrschaft geriet, hatten die Anliegen des unterdrückten Landes immer wieder ein offenes Ohr gefunden, vor allem während des Aufstands gegen den Zaren 1863.

Sympathien und Härten


Dem Schicksal der internierten Polen - insgesamt etwa 16 000 Männer - hat die Stiftung Archivum Helveto-Polonicum in Freiburg einen ausführlichen Bildband gewidmet. Die Herausgeber haben sich dabei bemüht, alle Facetten zu erfassen und ein abgerundetes Bild zu vermitteln.
Es wird versucht, Licht und Schatten gerecht zu verteilen. Die Aufgabe wurde dadurch erleichtert,dass die Polen 1939 als Opfer der Grossmachtpolitik angesehen wurden und ihnen in der Schweiz eine grosse Welle der Sympathie entgegenschlug. Als Militärinternierte befanden sie sich ohnehin in einer anderen Lage als die Zivilflüchtlinge. Die Haager Abkommen von 1899 und 1907 hatten die Bedingungen der Militärs bei einem Übertritt in ein neutrales Land geregelt.
Trotzdem blieb jedoch vieles dem Ermessen vorbehalten, und je nach dem Lager, in das die Internierten eingewiesen wurden, kam es immer wieder zu Unstimmigkeiten und Reibereien.
Die Herausgeber des Bandes wählten für ihren Text einen originellen Weg, indem sie als stellvertretenden Sprecher für die Internierten eine fiktive Person schufen, die über den Gang der Ereignisse berichtet. Schwierigkeiten traten vor allem am Anfang auf.
Schon der Übergang in die einzelnen Lager schuf viele Probleme. Nicht verstanden wurde vor allem die fast hermetische Abschliessung von der Aussenwelt.
Die Lager waren gesichert durch Stacheldraht und strenge Bewachung.
Auch die Freizeit war beschränkt. Die militärischen Behörden gingen dabei von der Prämisse aus,die Internierten sollten einen ähnlichen Status haben wie die Schweizer Soldaten.
Das war jedoch eine Rechnung, die viele schwerwiegende psychologische Faktoren ausser acht liess. Sowohl auf polnischer wie auf schweizerischer Seite meinte man zudem, die Internierung werde nur kurz dauern. Als sich bald die Umrisse zur Globalisierung des Konfliktes abzeichneten, wirkte sich das auch auf die Internierung aus. Man musste sich auf lange Fristen einrichten.

Acht Millionen Arbeitstage

Die anfängliche Verteilung auf die Lager am rechten Ufer der Aare wurde 1941 erweitert auf sieben Internierungssektoren und auf die ganze Schweiz. Primär galt für die Insassen, dass sie Land meliorierten, neue Strassen bauten und später bei der Verwirklichung des Plans Wahlen mitarbeiteten. Insgesamt waren es acht Millionen Arbeitstage, ein bemerkenswerter Beitrag an die Wirtschaft der Schweiz im Krieg. Bald kam es auch zu Lockerungen bei der von manchen als zu schwer empfundenen körperlichen Arbeit.
Die meisten Angehörigen der in Frankreich eingesetzten polnischen Streitkräfte waren jung und standen teilweise noch in der Berufsausbildung. Es wurde ihnen ermöglicht, diese auch in der Schweiz fortzusetzen. Für die Studenten galt eine besondere Regelung zum Studium an schweizerischen Hochschulen und Universitäten. Auch für Sport und Freizeit sowie Beteiligung am kulturellen und sozialen Leben öffneten sich im Laufe der Jahre den polnischen Internierten
die Türen. Zudem konnten sie eine eigene Zeitschrift herausbringen, die zwar gelegentlich in Konflikt mit der behördlichen Zensur stand, auch manchmal verboten wurde, aber bis über das Kriegsende hinaus durchhielt.

Faktor der Verteidigung

Eine besondere Stellung kam den Internierten im Kalkül der Armee zu. Von polnischer Seite,die eine eigene Befehlsstruktur bewahrte, wurde darauf geachtet, dass der Zusammenhalt zwischen den einzelnen Gruppen der Internierten erhalten blieb, auch als diese über die ganze Schweiz verteilt worden waren. Die militärische Ausbildung wurde weitergeführt, trotz gelegentlichem Stirnrunzeln auf deutscher Seite. An der Spitze der Schweizer Armee rechnete man fest damit,dass bei einem Überfall auf die Schweiz die Polen eine wichtige Rolle in der Bekämpfung des Aggressors spielen sollten. In der Zeit der völligen Isolation des Landes ergab sich so eine Art Schicksalsgemeinschaft zwischen den polnischen Internierten und der schweizerischen Bevölkerung.
Das Ende der Internierung war wieder geprägt von Unstimmigkeiten. Nach der Befreiung Frankreichs bot sich den Polen die Möglichkeit, die Schweiz zu verlassen. Die Rückwanderung begann jedoch nur zögernd. Zuerst gingen die Polen, die schon früher in Frankreich ihren Wohnsitz gehabt hatten.
Nach Kriegsende drängten die Schweizer Behörden die Internierten zur Rückkehr. Viele zögerten jedoch, in ein von den Russen besetztes Polen zurückzukehren. Nur 2000 reisten nach Hause.
Ungezählte andere verstreuten sich über die ganze Welt. 1000 Polen blieben in der Schweiz, die ihnen während des Krieges zur zweiten Heimat geworden war.
Der Bildband, der in deutscher und französischer Sprache erschienen ist, schildert
in eindrücklicher Weise eine wichtige Phase der Beziehungen zwischen Polen und der Schweiz. Helvetien, Aufnahmeland. Hoffnungen und tägliches Leben der polnischen Internierten in der Schweiz 1940-1946, in Bildern. Hg.: Francis Python, Jacek Sygnarski, Christian Jungo, Laurent Emery. Deutsche Übersetzung: Claudine Bardy, Christophe von Werdt.
Stiftung Archivum Helveto-Polonicum, Freiburg. Les Editions Noir sur Blanc, Montricher 2000.
Neue Zürcher Zeitung, Ressort Politische Literatur, 14. Dezember 2000, Nr.292, Seite 59
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